Flügelspiel
Angizia

Der wohl geputzte Deckel ist fast vollauf mit Schnee bedeckt, sodass der Glanz des Schellacks zunächst in Winters Pracht verblasst. Bezaubernd hüllt das Mondlicht diesen Flügel ein wie ein Kokon den Engerling und wie ein Sarg die Leiche drin. Welch Gnade dieser Welt, hat dies Geschöpf hier abgestellt? Die Korpusbeine, so sanft poliert, sind zum kleinen Teil im Schnee verschwunden und gleißen fast in diesem Bild der Anmut. Daneben zeigen sich die Tannen wohl verbunden, als stünden sie im Kreis Spalier, wie jüngst das Kreuz am Grabe, so scheint es, nur zur Zier.


Der finstere Gesell, er steht berauscht davor und streift verzärtelt all den Schnee vom dunkelroten Samt des Hockers. Er lehnt die Gabel an den Korpus und verschafft sich Zugang zu den Tasten, indem er den nass gewordnen Klaviaturdeckel mit geschickten Händen hochklappt, um sich selbst ein Kunstlied zu erhaschen. Der Knecht mit seinem roten Kussmund zieht seinen Lodenmantel aus und wischt mit einem Zug den Schnee vom wunderbaren Lack des Fichtenholzgestells. Nun ward das Geschöpf in seiner Pracht erst richtig anzusehen. Wie schön ist die Musik in einem einz’gen Ding geschart? Der finstere Gesell gafft mit nassen Augen auf diese unsagbare Gabe. Er setzt sich beharrlich auf den Hocker und spielt ein makelloses Sterbelied, gewidmet all den schon und baldig Toten dieser klirrend kalten Nacht. Gemeinsam singen sie - der finstere Gesell und sein schriller Knecht – ein Lied voll Groll und Gräuel, von Kunst und Tod, von Sühne und Vergeltung, ehe sie sich dann - gelüstend - auf den Weg zu jen’ altem Gehöft oberhalb der Baumgrenze machen, wo im Prunk des Winters ein selbst ernannter Richter Eis und Blut zusammenfügt.


[WALDFRAU, Erzählerin:]

Die Nacht kehrt ein in Waldes dunkler Höh‘

und neigt sich forsch dem Grauen zu.

Der Teufel saugt betört die Kraft des Winters ein.

Er fühlt gelabten Groll und wallt in Berges heiler Ruh‘!


[DER FINSTERE GESELL:]

Ich bin des Winters finsterer Gesell!

Ich bin ein Verdammter, der im Born des Dunkels

hinab zum Abgrund steigt, bis hin zur tiefsten Stell‘,

und dann entflammt zum Himmel schreit:

„Ich bin doch frei. Ich bin frei in deinem Prunk

und strafe laut, wer mit Elend voll geschöpft

dir quälend, trüb und sündhaft

wie ein leerer Narr entgegenschaut.

Tann, in deiner Pracht der Mord mich jäh ergötzt.

und Leidenschaft mich hetzt und hetzt!“


[WALDFRAU, Erzählerin:]

Er spürt berauscht die Wucht der Tannen.

Im weißen Rausch will er nun prangen.

Den Tod genarrt, die Pracht erstarrt.

Das Flügelspiel hält ihn gefangen.

Der Clown beschmiert sich Mund und Wangen.

Barmherzig zeigt er sich befangen.

Von Kunst und Mord. Von jenem Ort.

In Bälde wird er furchtbar bangen.


[Klavier]


[DER FINSTERE GESELL:]

Wie wundervoll die Nacht mich fängt,

ihr Sog mich immerwährend lenkt.

Lässt sie mich denn frei?

Lässt sie mich am Tod vorbei?


[WALDFRAU, Erzählerin:]

Die Nacht verweilt in Waldes dunkler Höh‘

und neigt sich forsch dem Grauen zu.

Der Teufel saugt betört die Kraft des Winters ein.

Er fühlt gelabten Groll und wallt in Berges heiler Ruh‘!


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